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Juni 11, 2006

Semantik des Antiliberalismus – Über den Neoliberalismus als Ersatzreligion

Filed under: liberale Theorie,linke Irrungen — Patrick Minar @ 2:35 pm

Ein Gespenst geht um in der Welt. Das Gespenst des Neoliberalismus. Die Macht des Bösen scheint mit ihm zu sein. Beinahe alles Übel dieser Welt wird in den aktuellen Diskussionen dem kalten, menschenverachtenden Neoliberalismus zugeschrieben. Man sollte annehmen, dass den politischen und journalistischen Eliten klar ist, welch ideengeschichtlicher und philosophischer Unfug mit diesem Begriff momentan getrieben wird.

Zur Klarstellung: der Neoliberalismus ist originär eine Strömung gemäßigter (!) Liberaler, die in den 1930er Jahren in Freiburg aufkam. Die Hauptvertreter waren u.a. Walter Eucken, Franz Böhm oder Alfred Müller-Armack. Ihre Selbstbezeichnung war „ordoliberal“. Das Konzept des Ordo- oder Neoliberalismus wurde als Gegenmodell zum Nationalsozialismus geschaffen und lehnte den Laissez-faire-Gedanken des klassischen Liberalismus ab. Von den Neoliberalen, vor allem von Müller-Armack, wurde der Begriff der „sozialen Marktwirtschaft“ erfunden.

Die Perversität der aktuellen Begriffsverdrehung bringt es mit sich, dass sich jeder ruhigen Gewissens als „klassischer Liberaler“ bezeichnen kann. Ein öffentliches Bekenntnis eines Politikers zum Neoliberalismus hingegen würde vermutlich die sofortige Verbannung des betreffenden in ein Dritte-Welt-Land nach sich ziehen, um die vermeintlichen Auswirkungen des Neoliberalismus am eigenen Leib erfahren zu müssen. Tatsächlich wäre jedoch – zumindest aus Sicht der Liberalismus-Kritiker – der klassische Liberalismus „viel schlimmer“ zu beurteilen. Jene, die „neoliberal“ als Schmähwort missbrauchen, wenden sich eigentlich gegen jene, die genau das vertreten, was ja für die Kritiker als schützenswert gilt: nämlich die soziale Marktwirtschaft.

Persönlich kenne ich niemanden, der sich selbst als „neoliberal“ bezeichnet. Daher eignet sich der Neoliberalismus so gut als Kampfbegriff gegen alles, was jeder vernünftige Mensch, egal welcher Partei, verurteilt: unmoralische Macht-, und Interessenspolitik, Ausbeutung, Klientelpolitik oder Kriegstreiberei.
Für zahlreiche politische Gruppierungen ist dieser Kampfbegriff zu einer Art Ersatzreligion geworden, welche die Inhaltsleere der klassischen sozialistischen und staatsinterventionistischen Ideologien überdecken soll.
Insbesondere werden vermeintliche und tatsächliche Schwächen der EU oder der internationalen Institutionen mit dem Punzierung „neoliberal“ versehen und so einer rationalen Kritik entzogen. Dass die aktuelle EU-Politik einer tatsächlichen ordo-, bzw. neoliberalen Beurteilung nicht standhalten würde, sei hier nur am Rand erwähnt.

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