ICH BIN SO FREI. Freiheit – Verantwortung – Eigentum – Politically Incorrect

Juli 8, 2008

Injuri Missethon und Lada Kalina

Filed under: österreichische Innenpolitik — Alexander Purger @ 2:54 pm

J’accuse! Ich klage an! Namens der österreichischen KabarettistInnen- und -Außengewerkschaft legen wir hiermit schärfsten Protest gegen die existenzbedrohende Schmuddelkonkurrenz durch die neue Bundesregierung ein. Unser Protest, der auch vom Wiener Satiriker-Cercle und der Arbeitsgemeinschaft alpenländischer Absurdisten  (AAA) vollinhaltlichst unterstützt wird, richtet sich gegen die Große Koalition, ihre Mitglieder und alle Helfershelfer, namentlich in den – horribile dictu! – Parteisekretariaten Kalina und Missethon.

Allein einen Parteisekretär Missethon zu nennen! Das schlägt doch wirklich dem Fass die Krone ins Gesicht! Hier wird  eine feinsinnige, eines Nestroy oder Herzmanovsky-Orlando würdige Anspielung in Form eines subtilen Namensscherzes in den Schmutz der schnöden Tagespolitik gezerrt. Fehlt nur noch, dass sich der Mann als Vorname „Injuri“ zulegt. Pfui!

Noch sublimer und damit noch verwerflicher erscheint uns  die satirische Anspielung, die mit der  Verwendung des Namens Kalina verbunden ist. Nur wirklich Eingeweihte wissen, dass besagter Parteisekretär nach dem russischen Billigauto „Lada Kalina 1119“  benannt ist: Bescheidende 81 PS, 177 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer, von 0 auf 100 (wo Kalina  sich ja meistens befindet) in 13 Sekunden, im Fachjargon nur „Der robuste Russe“ genannt. – Selbst Kabarettisten von Graden hätten lange gebraucht, um einem sozialdemokratischen Parteisekretär diesen köstlichen nom de guerre zu verpassen.

Aber im Österreich der Großen Koalition muss man über derlei ja nicht mehr nachdenken. Da gibt es keine Absurdität mehr zu ersinnen. Alle sind längst Wirklichkeit geworden. Wir protestieren!

Auch der Realität den Zerrspiegel der Satire vorzuhalten, ist im Lande der Großen Koalition nicht mehr möglich. Autriche im Wunderland: Die Realität findet bereits und ausschließlich in diesem deformierenden Zerrspiegel statt. Hoho, ist der dick! Hihi, ist die lang! Nichts ist mehr so, wie es scheint. Die Republik als Lachkabinett.

Oder was würden Sie zu einer Gesundheitsministerin sagen, die zu Protokoll gibt, aus Frustration über  ihre gesundheitspolitische Kompetenzlosigkeit nicht mehr schlafen zu können, die sich die schlaflosen Nächte dann aber Csardas-tanzend auf dem Life-Ball oder mit dem Verfassen eines Schweinsbraten-Kochbuchs  vertreibt?  Was würde Sie als Satiriker da tun? Weinen.

Altmeister Herbert Rosendorfer sagte einmal, Ironie bestehe darin, das Falsche zu behaupten, damit der Leser über das Richtige nachdenkt. Auch er  müsste damit an der gegenwärtigen Lage verzweifeln. Denn unsere Regierung behauptet ja selbst ständig das Falsche! Was bleibt da für die österreichische Kleinkunstszene noch zu tun übrig? Zu Ministerratssitzungen zusammentreten? Regierungserklärungen abgeben? Vielleicht einen Kaiser Robert Heinrich I. wählen? Zu EU-Gipfeln fahren?

Apropos fahren: Für ihre erste gemeinsame Klausur, um endlich mit der Arbeit zu beginnen, brauchte die Große Koalition nur von Anfang Jänner bis Anfang März – und nur von Wien nach Linz zu fahren. Da das Hauptthema der Klausur der Klimaschutz war, fuhr die Regierung natürlich mit dem Zug, um CO2 zu sparen. Kaum war diese Meldung heraußen, ulkten die hauptamtlichen Scherzbolde in den Redaktionen: Haha, und Ihre Dienstautos lassen sie sicher leer hinterher fahren! Kaum war diese lustige Idee in umwerfend komische Glossen gegossen, wanderten diese auch schon wieder unlustig in die Papierkörbe: Die Regierung hatte ihre leeren Dienstautos leer hinter dem Zug her fahren lassen.

Und gleich noch einmal apropos fahren: Als Alfred Gusenbauers Sandkistentraum vom Kanzleramt zur Realität upgegradet wurde (und zwar kostenlos), versprach er, Volkskanzler zu sein und daher fürderhin mit der U-Bahn zu fahren. Was folgte, war bitterböse Realsatire: Der Volkskanzler benutzte zur Fortbewegung  Hubschrauber der militärischen Luftraumüberwachung (die er im Wahlkampf noch für unnötig erklärt hatte) und Dienstautos, mit denen er auf der Westautobahn mit 200 km/h gesichtet wurde. Gusenbauer entschuldigte sich damals damit, dass er schon „spät dran“ gewesen sei und sich deshalb von der Polizei eskortieren lassen musste. Recherchen ergaben, dass derlei „Lotsungen“ im Höchsttempo laut StVO bei Staatsbesuchen und Staatsakten auch wirklich erlaubt sind. Und zu welchem Staatsbesuch war der Regierungschef damals auf der Westautobahn unterwegs? Nicht lachen: Zum Besuch der Welser Messe.

Wir sehen, Kabarettisten sind in diesem Land in jeder Beziehung „spät dran“. Und wer zu spät dran ist, den bestraft die Große Koalition  mit einer „Lotsung“ in die Bedeutungslosigkeit, und das im Höchsttempo.
Wobei wir unseren Frust nicht allein auf die Regierung abladen wollen. Auch FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache macht uns unser tägliches Brot streitig. Als er gefragt wurde, warum er auf einem Foto den in der rechten Szene üblichen Gruß mit drei ausgestreckten Fingern vollführe, antwortete Strache wie aus der Paintball-Pistole geschossen: Er habe damals nur drei Gespritzte bestellt. Zu Parteiobmann-Stellvertretrern?
Und als er gefragt wurde, warum er in seiner Jugendzeit gemeinsam mit der Picknick-Jugend (oder so ähnlich) an die deutsch-deutsche Grenze gereist sei und dabei von der Polizei angehalten wurde, sagte Strache: Das wisse er auch nicht. Er habe damals nur Brotkörbe zu den armen Menschen über die Grenze geworfen. Eben Picknick-Jugend. Als das heraußen war, begaben sich zwei Drittel der eingetragenen Absurdisten Österreichs geschlossen aufs Arbeitsamt. Sie lassen sich jetzt umschulen. Auf Brotkörbe. Nix wie über die Grenze, lautet die Devise. Hier kriegen wir ja doch nie wieder Arbeit.

Alle, alle haben sich gegen uns verschworen. Zum Beispiel auch der Verteidigungsminister. Als der erste Eurofighter in Zeltweg landete, floh Norbert Darabos auf Staatsbesuch in ein balkanesisches Land, um den bösen Vogel nicht in Empfang nehmen zu müssen. Nach seiner Rückkehr kam er aber zu der bitteren Erkenntnis: Es gibt gar nicht so viele balkanesische Länder als noch Eurofighter kommen werden. Also blieb er ab der zweiten Landung dann doch in Österreich. War eh nicht viel Unterschied.

Oder nehmen wir die ÖVP: Sagte plötzlich ja zur Homo-Ehe, ließ sich für ihre Liberalität feiern, verlangt seither aber, dass diese Homo-Ehe nicht im Festsaal, sondern nur im Besenkammerl des Standesamtes geschlossen werden darf.

Oder nochmals ÖVP: Wollte ihre seriösen Kurs in der Finanz- und Wirtschaftspolitik zuerst mit Karl-Heinz Grasser als Vizekanzler fortsetzen, der sich dann jedoch in einem Modemagazin als halbnackter Gigolo vor zerwühltem Hotelbett ablichten ließ. Der Mann hatte da sichtlich etwas durcheinander gebracht: Als Finanzminister zieht man doch dem Steuerzahler das letzte Hemd aus, nicht sich selbst. Klar, dass Grasser gehen musste.

Aber alle anderen sind geblieben und machen uns das Leben schwer. Nein, nein, nein. Wir protestieren!  Wir klagen die Große Koalition  wegen unlauteren Wettbewerbs. Unserer Klage schließt sich als Privatbeteiligter ein gewisser Marx, Karl, wohnhaft in der britischen Kapitale London, an. Er klagt Rot-Schwarz auf Unterlassung einer Neuauflage, denn dadurch geriete sein berühmtes Diktum ins Wanken, dass alles in der Geschichte zwei Mal passiert – einmal als Tragödie und einmal als Farce. In Österreich ist es ja  bekanntlich umgekehrt: Die gegenwärtige Große Koalition ist eine Farce. Eine Neuauflage wäre eine Tragödie.

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