ICH BIN SO FREI. Freiheit – Verantwortung – Eigentum – Politically Incorrect

Juli 22, 2011

Scheinsicherheit durch Lobbyistengesetz

Filed under: Uncategorized — Patrick Minar @ 11:28 am

Dieser Tage geht die Begutachtungsfrist für das Lobbyistengesetz zu Ende. Zahlreiche juristische Bedenken haben Wirtschaftskammer und Branchenvertreter in ihren Stellungnahmen formuliert. Darüber hinaus scheinen jedoch ein paar grundsätzliche Gedanken angebracht zu sein.

Gleich vorweg: Aus Sicht eines jeden seriös arbeitenden Public Affairs-Beraters kann eine sinnvolle Regelung für den Arbeitsbereich der Interessensvertretung nur begrüßenswert sein. Es ist ein großes Versagen der Branche, dass zugelassen wurde, bestimmte Begriffe und in Folge eine ganze Branche in Verruf geraten zu lassen. Der vorliegende Entwurf birgt jedoch etliche Fallstricke.

Zunächst ist festzuhalten, dass Interessensvertretung eine absolut legitime und auf Grund der Komplexität mancher Materien oft auch notwendige Tätigkeit darstellt. Es ist befremdlich, dass sich klassische Interessensvertretungen dagegen sträuben, als Lobbyisten bezeichnet zu werden. Die gesetzlich festgeschriebenen Kammern sind ebenso Lobbyinggruppen, wie freiwillige Organisationen wie Greenpeace, oder Transparency International oder eben gewinnorientierte Beratungsunternehmen. Alle versuchen Einzel- bzw. Klientelinteressen gegenüber der Öffentlichkeit und/oder der Politik zu vertreten und durchzusetzen. Die im Gesetzesentwurf vorgenommene Unterscheidung in „gute“ (= weniger Auflagen) und „böse“ (= mehr Auflagen) Lobbyisten  ist demnach eine höchst willkürliche und eher als gelungenes Lobbying der Profiteure, denn als inhaltlich gerechtfertigte Festlegung zu sehen.

Besonders bemerkenswert ist die Rolle der Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder. Schon jetzt vertreten zahlreiche Rechtsanwälte im Rahmen ihrer Mandatierungen auch politische Interessen für ihre Auftraggeber, zumal sie geschützt durch die standesrechtliche Verschwiegenheitspflicht ungestört und letztlich intransparent als Lobbyisten tätig sein können. Verschärft wird diese Rolle durch Doppelfunktionen, wenn Rechtsanwälte gleichzeitig als Abgeordnete zum Nationalrat tätig sind. Zwar nimmt der Gesetzesentwurf anwaltliche Tätigkeiten aus den Vorgaben aus, die sich im Rahmen der normalen Rechtsberatung bewegen, doch bietet die Formulierung genügend Spielraum, Rechtsanwälte zu den größten Profiteuren des neuen Gesetzes zu machen und somit die Hauptintention, nämlich das Transparentmachen von Lobbyingtätigkeiten, samt Auftraggeber und Inhalt, massiv zu untergraben.

Es liegt der Verdacht nahe, dass durch das Lobbyistengesetz den Bürgern Scheinsicherheit vermittelt werden soll. Denn das neue Gesetz umfasst nur die potentielle Geberseite. Die potentielle Nehmerseite, also alle öffentlichen Stellen, sind davon in keiner Weise berührt. Sieht man sich die Anlassfälle an, wird man erkennen, dass weder Buwog, noch Hochegger, noch Strasser durch das Lobbyistengesetz verhindert worden wären. Um tatsächliche, gerechtfertigte Transparenz herzustellen, bedarf es einer Paketlösung, die neben einem vernünftig konstruierten Lobbyistengesetz, auch massiv verschärfte Unvereinbarkeitsbestimmungen für Politiker und eine weitgehende Reform des Parteienfinanzierungsgesetzes beinhaltet. Bleibt es beim vorliegenden Entwurf, handelt es sich um Stückwerk, das nur Scheinsicherheit bietet, unlautere Machenschaften einfach in andere Kanäle umleitet und somit die ärgsten Missstände nur verlagert und somit prolongiert.

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